Elementor, Divi & Co: Gibt es eine Pagebuilder-Lobby gegen Gutenberg?

SEO und WordPress Freelancer Hans-Jürgen Herbst

Hi, ich bin Hans-Jürgen – einer der wenigen WordPress Freelancer, die voll auf Gutenberg setzen. Das sind meine Gedanken zur Stimmung in Social Media gegen den Block-Editor.

Der auf Gutenberg basierende Pagebuilder Cwicly hat kürzlich seinen Betrieb eingestellt. Im Gegensatz zu etablierten Lösungen wie Elementor oder Divi hatten die Entwickler auf die Integration mit dem WordPress-Standard gesetzt, statt sich davon abzugrenzen.

Hass aus dem Lager der Pagebuilder-Lobby ist wohl der Grund für dies Schließung. Louis-Alexander Désiré, Gründer und Mit-Entwickler des Plugins Cwicly beschreibt es in einem Facebook-Post so:

Eine Welle zerstörerischer Kommentare und persönliche Angriffe haben unser Team stark belastet. (…). Trotz der Unterstützung unserer treuen Nutzer sieht sich das Team gezwungen, diesen Weg zu gehen, da es zunehmend schwierig wurde, in einem so feindseligen Umfeld zu arbeiten. (…)

Gibt es eine Pagebuilder-Lobby?

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es definitiv so etwas wie eine Lobby für die etablierten Pagebuilder gibt. Das äußert sich vor allem in hämischen, herabwürdigenden Kommentaren und Ignoranz gegenüber dem Fortschritt, den Gutenberg nun mal mit jedem Update macht. Schaut man ein bisschen genauer hin, sind die Gründe für dieses Verhalten ganz offensichtlich:

  • Oftmals erhalten sie als Affiliates Provisionen für Nutzer, die über ihre Bloglinks zum Anbieter gelangen
  • Man verdient doppelt am Kunden: Erst durchs bauen der Seite und dann durch die Provision für die installierten Themes und Plugins
  • Ihre Gewohnheit, Webseiten mit Pagebuildern zu erstellen, führt zu Voreingenommenheit und mangelnder Bereitschaft, sich auf Gutenberg einzulassen

Es tummeln sich viele Freelancer in den einschlägigen WordPress-Gruppen und viele von ihnen versuchen nur ihr Revier zu verteidigen. Für mich ist das Motiv nachvollziehbar – Aber im Sinne der Kunden ist es nicht. Denn Pagebuilder bringen auch ein paar Nachteile mit sich, die gerne von den Fans verschwiegen werden.

Nachteile von Pagebuildern

Pagespeed

Visuelle Effekte brauchen Javascript und verschachtelte Code-Container. Ich habe gegen beides nichts einzuwenden, aber die Summe der Code-Zeilen macht eine Website nun mal langsamer. Im Gegensatz dazu speichert Gutenberg seinen Code als JSON-File – eine schlanke Struktur, die im Frontend gerendert wird und dann aus dem Cache bedient wird.

Komplexität

Da ich mit beiden Systemen, also Gutenberg-Editor und Pagebuildern arbeite, kenne die Gestaltungsmöglichkeiten gut. Es ist teilweise viel zu viel von allem. Ich habe Kunden, die ihre Website nicht selbst mit ihrem Pagebuilder gestalten können und dann an mich übergeben. Dabei wäre ich mit Gutenberg doppelt so schnell für das gleiche Ergebnis. Die Lobby behauptet dazu gerne, dass Gutenberg dafür zu wenig bietet.

Plugins

Jeder Pagebuilder bringt erstmal eine Grundausstattung an eigenen Plugins mit. Slider, Disable Gutenberg, Bilder-Optimierung – all son Kram. Und dann wird natürlich noch ein Plugin installiert, damit Website dann irgendwie beschleunigt. Keine Seltenheit, dass Kunden zu mir kommen und schon 20+ aktive Plugins haben.

Abhängigkeit und Sicherheitslücken

Die Schließung von Cwicly zeigt es: Die Nutzer sind abhängig vom Entwickler-Team. Das Sicherheitslücken rechtzeitig erkannt und geschlossen werden. Wie zum Beispiel diese hier. Und auch, dass der Pagebuilder kompatibel zu WordPress weiterentwickelt wird.

Und dann gibt es da noch einige weitere Dinge wie die wiederkehrenden Kosten für das Plugin, Nervige Eigenwerbung im Dashboard, Instabilität, teilweise Inkompatibilität zu anderen Plugins …

Wer zahlt, gewinnt

Ich kenne das Motiv der Lobby und ich bin auch nicht frei von Schuld. Ich war Jahrelang einer der umsatzstärksten Affiliates für den Baukasten von Jimdo. Da wird man auch mal kreativ, um den Anbieter im Vergleich zu Mitbewerbern besser aussehen zu lassen, als er tatsächlich ist.

Als Jimdo 2022 die Provisionen mehr als halbiert hatte, habe ich die Zusammenarbeit beendet und mich auf WordPress fokussiert. Für mich als Entwickler macht WordPress zudem auch mehr Spaß. Andere Affiliates haben ganz einfach Wix oder den Baukasten von IONOS auf das Podest gehoben. Klick, klick – einfach so. Wer zahlt gewinnt.

Blogger mit starken Domains und guten Rankings schaffen Meinungsbilder. Und das gleiche passiert in den Communities und Facebook-Gruppen. Power-User beeinflussen die unerfahrenen Anwender.

Und so werden hartnäckig die Pagebuilder gepusht. Denn niemand verdient an Gutenberg.

Pagebuilder haben ihre Daseinsberechtigung

Mit Elementor und Co. kann man schon beeindruckende Effekte einstellen. Hier ist mal ein Beispiel meiner Kunden Teresa, deren Website auf dem Salient-Theme in Verbindung mit dem Pagebuilder WPBakery basiert. Die Highlight-Effekte der Schrift kann ein Laie ohne Code-Erfahrung nicht mit Gutenberg umsetzen. Es macht schon was her, aber mit Blick auf den Faktor Cumulative Layout Shift, würde ich als alter SEO-Hase auf diesen netten Zaubertrick lieber verzichten.

Also was ist jetzt der Vorteil von Pagebuildern?

Im wesentlichen liegt der Vorteil in der Vergangenheit, als WordPress vor der Version 5.0 noch keinen visuellen Editor hatte. Und auch zu Anfang war ich wirklich alles anderen als ein Fan von Gutenberg. Die Lösung war zu dieser Zeit das Plugin „Disable Gutenberg“ zu installieren. Da ich Code schreiben kann, hatte ich weiterhin harten Code in den alten TinyMCE-Editor geschrieben. Andere haben Pagebuilder wie Elementor oder Beaver Builder installiert. Zu dieser Zeit war das eine tolle Lösung für alle die einen visuellen WYSIWYG-Editor brauchten.

Inzwischen sind wir bei WordPress 6.5 und Gutenberg hat bis auf Transition-Effekte alles was ich brauche, um die gleichen Ergebnisse in der Hälfte der Zeit zu schaffen.

Gewagte These?

Ich behaupte also, dass Pagebuilder außer einer Auswahl an Effekten beim Seitenaufbau keine weiteren Vorteile bieten. Ja das ist ein bisschen provokativ und überspitzt. Ein paar zusätzliche Elemente bringen Pagebuilder dann doch mit. Zum Beispiel Slider, die ich selbst auch nutze um Kundenstimmen einzubinden. Dafür hat Gutenberg nur einen nicht-slidebaren Block wie diesen:

Seitliches Profil einer Frau mit rostrotem Rollkragenpullover und weißer Tasche. Sie blickt mit geschlossenen Augen auf.

„Mitzumachen gibt mir das Gefühl, nützlich für den Planeten zu sein.“

– Anna Wong, Freiwilliger

Aber hey, das ist doch auch völlig in Ordnung, oder? Und natürlich kann ich das dann auch noch anders gestalten. Und ich habe die Wahl, ein Plugin für so ein Feature zu installieren, oder eben den einfachen Standard zu wählen. Für den Betrachter zählt eh vorrangig der Inhalt. Ich denke Webseiten heute einfacher. Das Ergebnis kann sich auch sehen lassen und ist für den Kunden nach der Übergabe auch bedienbar.

Übrigens kannst du hier mal ein paar WordPress-Beispiele sehen, die ich mit Gutenberg gebaut habe. Die meisten basieren auf dem Standard-Theme Twenty-Twenty-Three. So auch diesen drei:

Also was jetzt?

Die Ende von Cwicly ist bedauerlich, aber gleichzeitig ein Weckruf. Andere Pagebuilder werden folgen, denn das Konzept der klassischen Themes ist überholt. Gutenberg hat sich enorm weiterentwickelt und bietet für die meisten Anwendungsfälle gute Gestaltungsmöglichkeiten. Es lohnt sich jedenfalls den Standard beim nächsten Projekt einfach mal auszuprobieren.

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Bin ich jetzt endlich fertig mit dem Rant?

Nein, eins noch: Mir ist bewusst, dass ich hier einige Leute provoziere und vielleicht auch etwas überheblich daherkomme. Mag aber auch daran liegen, dass ich 10 Jahre für die größten Medienhäuser Europas Produktmanagement und SEO gemacht habe. Ich habe Seiten wie tvmovie.de mit Millionen täglichen Usern und einem Team von Entwicklern und Redakteuren geleitet. Ich baue seit 20 Jahren Webseiten. Das ist mein Job. Und trotzdem höre ich anderen respektvoll zu und wäge Argumente ab. Genau das lassen einige Leute in Social Media vermissen.

Fertig.